Revision des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG)

Chronologie

Das bestehende Versicherungsvertragsgesetz ist über hundert Jahre alt (Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 1910) und genügt den heutigen Anforderungen und Bedürfnissen nicht mehr vollumfänglich. Einige vordringliche Konsumentenschutzanliegen wurden bereits mit einer Teilrevision im Jahr 2006 umgesetzt. Dazu gehörte etwa die Informationspflicht, die den Versicherer dazu verpflichtet, den Versicherten über den wesentlichen Vertragsinhalt zu informieren. Ebenso wie eine Minderung der Folgen einer Anzeigepflichtverletzung.

2011 unterbreitete der Bundesrat eine Totalrevision des VVG. Dem Parlament ging der Vorschlag jedoch zu weit. Es wies die Vorlage im März 2013 zurück mit dem Auftrag, eine Teilrevision zu ausgewählten Punkten auszuarbeiten.

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 28. Juni 2017 die Botschaft für eine Teilrevision des VVG verabschiedet. Im Rahmen der Vernehmlassung stiess die Vorlage auf insgesamt positive Resonanz. Anschliessend haben die Räte die Teilrevision des VVG intensiv beraten. In der Schlussabstimmung der Sommersession am 19. Juni 2020 verabschiedete das Parlament schliesslich die Teilrevision des VVG.

Das revidierte Gesetz bringt Verbesserungen für Kundinnen und Kunden und passt Bestimmungen an veränderte Gegebenheiten an. So wird beispielsweise neu für Versicherungsverträge ein Widerrufsrecht eingeführt und auch Verträge mit langer Laufzeit können nach drei Jahren beendet werden. Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus Versicherungsverträgen wird erhöht. Zudem wird das Gesetz an die heutigen Anforderungen des elektronischen Geschäftsverkehrs angepasst.

 

Was sind die wichtigsten Neuerungen und deren Folgen?

Die Teilrevision des VVG beinhaltet unter anderem folgende wichtige Neuerungen:

  • Einführung eines Widerrufsrechts (Art. 2a und 2b): Versicherungsnehmer können innerhalb einer Bedenkfrist von 14 Tagen von ihrem Vertrag zurücktreten.
Beispiel der Folgen: Ein Versicherungsnehmer schliesst eine Hausratversicherung ab. Eine Woche später ändert er seine Meinung. Er kann ohne Verpflichtung aus dem Vertrag zurücktreten.

 

  • Ordentliches Kündigungsrecht (Art. 35a): Verträge mit langer Laufzeit können auf das Ende des dritten Jahres oder jedes darauffolgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten beenden werden.
Beispiel der Folgen: Ein Versicherungsnehmer schliesst einen Versicherungsvertrag für fünf Jahre ab. Dennoch kann er nach drei Jahren den Vertrag beenden. Das Versicherungsunternehmen hat dieses Recht ebenfalls.

 

  • Kündigungsverzicht der Krankenversicherer (Art. 35c): Nur Versicherten steht das ordentliche Kündigungsrecht und das Kündigungsrecht im Schadenfall zu.
Beispiel der Folgen: Der Krankenzusatzversicherer darf im Schadenfall den Vertrag nicht mehr kündigen.

 

  • Verlängerung der Verjährungsfrist für Ansprüche aus Versicherungsverträgen (Art. 46): Erhöhung von zwei auf fünf Jahren. Ansprüche aus Versicherungsverträgen verjähren neu erst fünf Jahre nach dem Schadenfall.
Beispiel der Folgen: Drei Jahre nach dem Schadenfall meldet der Versicherte seinen Anspruch auf Leistung. Dieser Anspruch ist nun noch nicht verjährt.

 

  • Einführung eines allgemeinen direkten Forderungsrechts für alle Haftpflichtversicherungen (Art. 60): Ein Geschädigter kann damit seine Ansprüche direkt bei der Versicherung des Schädigers geltend machen, obwohl der Versicherungsvertrag nicht mit ihm, sondern mit dem Haftpflichtigen abgeschlossen wurde.
Beispiel der Folgen: Das Kind des Versicherten schlägt die Fensterscheibe des Nachbarn mit einem Ball ein. Der Nachbar kann neu seinen Anspruch direkt gegenüber der Versicherung geltend machen.

 

  • Digitalisierung (insgesamt 14 Artikel): Kompatibilität des VVG mit dem elektronischen Geschäftsverkehr über sämtliche Prozesse (Widerruf, Informationspflicht, Anzeigepflicht, Kündigung etc.).
Beispiel der Folgen: Die Kündigung eines Versicherungsvertrags per Mail ist nun möglich.

 

Aus den verschiedenen Beispielen ist erkennbar, dass die Neuerungen weitreichende Änderungen für die Versicherungsunternehmen mit sich bringen, die eine Überprüfung und gegebenenfalls eine Anpassung von internen Abläufen und Vorschriften notwendig machen.

 

Inkrafttreten des revidierten VVG per 1. Januar 2022

Die Eidgenössischen Räte haben die Revision des Versicherungsvertragsgesetzes am 19. Juni 2020 gutgeheissen. Die Referendumsfrist ist am 8. Oktober 2020 ungenutzt abgelaufen. An seiner Sitzung vom 11. November 2020 hat der Bundesrat das Inkrafttreten des revidierten VVG per 1. Januar 2022 beschlossen. Diese relativ lange Dauer ist notwendig, damit die Versicherungsunternehmen ausreichend Zeit zur Verfügung haben, um die umfangreichen Neuerungen zu implementieren, insbesondere in der Produktgestaltung, im Vertrieb, bei der Schadenserledigung und bei der Vertragsauflösung.

Bei Fragen zu unseren Ausführungen oder zur Umsetzung der neuen VVG-Anforderungen stehen Ihnen unsere Versicherungsexperten jederzeit gerne zur Verfügung.

 

Quellen: Medienmitteilungen des Bundes, Geschäftsdatenbank Curia Vista des Parlaments, Schweizerischer Versicherungsverband (SVV)