Neuerungen bei der Quellensteuer ab 1. Januar 2021 - Internationales

Am 1. Januar 2021 tritt die Revision der Quellensteuerverordnung in Kraft. Diese verfolgt den Zweck, der jüngeren Rechtsprechung und den technischen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Zudem soll die Rechtssicherheit für Arbeitgebende und Arbeitnehmende erhöht werden.

 

Worum geht es?

Die Hintergründe der Reform wurden bereits im ersten Teil unseres Artikels dargestellt: «Neuerungen Quellensteuer ab 1. Januar 2021 - Grundlagen».

In vorliegendem Artikel geht es unter anderem um spezielle Zahlungen bei Stellenantritt oder bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses und generell um die Optik des Steuerpflichtigen.

Neben zahlreichen Neuerungen für die Schuldner der steuerbaren Leistung (SSL, das Unternehmen) gibt es nämlich auch Änderungen, welche direkt die Quellensteuerpflichtigen (Arbeitnehmende) treffen. Es macht den Anschein, als könnten bestimmte Nicht-Ansässige (insbesondere sog. «Internationale Wochenaufenthalter») Verlierer der Reform sein. Mehr dazu erfahren Sie in diesem Beitrag.

 

Welche Änderungen ergeben sich für quellensteuerpflichtige Arbeitnehmende?

Im Rahmen der Revision der Quellensteuerverordnung ergeben sich auch für die Quellensteuerpflichtigen einige fundamentale Änderungen und Neuerungen, die die Gesetzgebung bislang noch nicht vorgesehen hatte. So wird per 1. Januar 2021 offiziell und schweizweit das Konstrukt der «Quasi-Ansässigkeit» eingeführt. Des Weiteren haben auch steuerlich ansässige Personen in der Schweiz mit einer Quellensteuerpflicht per se die Möglichkeit, eine Schweizer Steuererklärung einzureichen.

 

Quasi-Ansässigkeit

Um der Forderung bezüglich steuerlicher Gleichbehandlung von In- und Ausländern gerecht zu werden, wurde mit der Quasi-Ansässigkeit im Bundesgesetz zur Direkten Bundesteuer (DBG) wie auch in der neuen Quellensteuerverordnung (QStV) ein komplett neues Konstrukt eingeführt. Es findet Anwendung auf quellensteuerpflichtige Personen, die im Ausland steuerlich ansässig sind. Diese Arbeitnehmenden, welche die Voraussetzungen an die Quasi-Ansässigkeit erfüllen, haben das Recht, für jedes Jahr bis am 31. März des auf die Fälligkeit der Leistung folgenden Steuerjahres einen Antrag auf nachträgliche ordentliche Veranlagung bei der zuständigen Kantonalen Steuerverwaltung einzureichen.

Die Voraussetzungen für eine nachträglich ordentliche Veranlagung bei der Quasi-Ansässigkeit sind gegeben, wenn im entsprechenden Steuerjahr mindestens 90 Prozent der weltweiten Bruttoeinkünfte in der Schweiz steuerpflichtig sind. Die gesetzliche Grundlage dazu ist im Art. 99a Abs. 1 Bst. A DBG in Verbindung mit Art. 14 QStV verankert. Dieser Antrag kann grundsätzlich jedes Jahr gestellt werden.

Dieses Konstrukt setzt erhöhte Aufmerksamkeit und Achtsamkeit voraus, denn für die Berechnung des weltweiten Einkommens des Quellensteuerpflichtigen bzw. für die 90 Prozent-Regel werden auch die Bruttoeinkünfte des in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten hinzugerechnet.
 

Folgendes Beispiel soll etwas mehr Klarheit schaffen:

Herr Meier, verheiratet, zwei schulpflichtige Kinder, wohnhaft und steuerlich ansässig in Stuttgart/D, ist bei der Schweizer Muster AG mit Sitz in Zürich beschäftigt und bezieht einen Bruttojahreslohn von CHF 200'000. Er arbeitet von Montag bis Freitag in der Schweiz und kehrt an den Wochenenden zurück zur Familie (sog. Wochenaufenthalter).

Seine Ehefrau Susanne geht einer Teilzeitbeschäftigung in Deutschland nach und verdient umgerechnet CHF 10'000 pro Jahr. Darüber hinaus besitzt das Ehepaar ein selbstbewohntes Eigenheim (Eigenmietwert: CHF 10'000, in Deutschland nicht besteuert da es keinen Eigenmietwert gibt wie wir ihn kennen) und vereinnahmt jährliche Kapitalerträge aus Privatvermögen von umgerechnet CHF 5'000.

Weltweites Bruttoeinkommen Ehepaar:    CHF 225'000   (100,0%)
In der Schweiz versteuertes Einkommen:   CHF 200'000   (88,8%)
In Deutschland versteuertes Einkommen:  CHF 25'000     (11,2%)

Fazit: Quasi-Ansässigkeit wird vorliegend nicht erfüllt.


Das im Ausland der Einkommenssteuer unterliegende Einkommen beträgt vorliegend mehr als 10 Prozent des gesamten weltweiten Einkommens des Ehepaares Meier, daher ist die Mindestgrenze von 90 Prozent in der Schweiz nicht erreicht. Das Ehepaar Meier hat somit grundsätzlich keinen Anspruch auf die nachträglich ordentliche Veranlagung und erfüllt die Kriterien an die Quasi-Ansässigkeit nicht. Da gleichzeitig die Möglichkeit wegfällt, im Rahmen einer Tarifkorrektur doppelte Wohnkosten oder auch zusätzliche Reisekosten zwischen Stuttgart und Zürich geltend zu machen, könnten Personen in dieser Situation tatsächlich «Verlierer» der Reform sein.

Eine nachträgliche ordentliche Veranlagung kann jedoch auch dann beantragt werden, wenn die Situation der Person mit derjenigen einer in der Schweiz wohnhaften steuerpflichtigen Person gemäss Art. 99a Abs. 1 Bst. b DBG vergleichbar ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Person aufgrund niedriger Gesamteinkünfte nach dem Steuerrecht des Wohnsitzstaates nicht steuerpflichtig ist und damit die persönliche Situation sowie der Familienstand unberücksichtigt bleiben.

Das Kreisschreiben Nr. 45 der ESTV (nachfolgend «KS 45») regelt u.a. in Ziff. 11.4. weitere Details zur Quasi-Ansässigkeit.

 

Nachträglich ordentliche Veranlagung bei Ansässigkeit in der Schweiz

Eine Änderung erfahren auch die quellensteuerpflichtigen Personen mit Schweizer Ansässigkeit, die bislang die erforderliche Höhe bezüglich jährlicher Bruttolohnhöhe von CHF 120'000 nicht erreichten. Ab Steuerperiode 2021 (also erstmals anfangs 2022) können auch solche Personen einen Antrag auf nachträgliche ordentliche Veranlagung gemäss Art. 89a a DBG in Verbindung mit Art. 10 QStV stellen. Hierfür müssen sie bis am 31. März des auf die Fälligkeit der Leistung folgenden Steuerjahres (erstmals bis 31. März 2022 für das Steuerjahr 2021) einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen kantonalen Steuerverwaltung einreichen.

Bei Einreichung einer nachträglichen ordentlichen Veranlagung ist höchste Vorsicht geboten, denn daraus kann auch eine Schlechterstellung resultieren. Ein Antrag auf nachträglich ordentliche Veranlagung bei ansässigen Personen in der Schweiz hat auch für alle kommenden Jahre eine rechtliche Bindungswirkung. Mit anderen Worten: Diese Person wird auch künftig stets nachträglich ordentlich veranlagt und es ist im Gegensatz zum Quasi-Ansässigen nicht jedes Jahr ein Antrag zu stellen. Somit bedingt der freiwillige Antrag auf eine nachträgliche ordentliche Veranlagung einer sorgfältigen Analyse.
 

Folgendes Beispiel zeigt eine mögliche Schlechterstellung exemplarisch auf:

Frau Schmid, ledig, konfessionslos, quellensteuerpflichtig und wohnhaft in der Gemeinde Kilchberg/ZH, ist bei der Weber AG mit Sitz in Zürich angestellt. Sie hat keine weiteren Privateinkünfte und kein steuerbares Vermögen. Auf dem jährlichen Bruttolohn von CHF 108'000 wird eine Quellensteuer von rund CHF 11'100 fällig und vom Lohn abgezogen.

Wechselt Frau Schmid ins nachträglich ordentliche Register der Steuerpflichtigen, erwartet sie eine neue Gesamtsteuerlast (Staats-, Gemeinde- und Direkte Bundessteuer) von zirka CHF 10'500. Ergebnis: Reduktion der Steuerlast von rund CHF 600/jährlich. Dies scheint sich für sie zu lohnen.

Zieht Frau Schmid in den darauffolgenden Jahren jedoch in die Stadt Winterthur/ZH erwartet sie, aufgrund des höheren Gemeindesteuerfusses und bei gleichbleibenden Verhältnissen, eine Gesamtsteuerlast von rund CHF 13'500.

Ergebnis: Zunahme der Steuerlast von rund CHF 2'400 (!)


Dieser Fall illustriert beispielhaft die konsequente (negative) Hebelwirkung der Umstellung auf das nachträglich ordentliche Verfahren. Steuerberater wie auch betroffene Quellensteuerpflichtige müssen diese Eventualitäten stets in Betracht ziehen und einkalkulieren, bevor ein Antrag auf das nachträglich ordentliche Verfahren gestellt wird.

 

Zahlungen vor Eintritt oder nach Austritt der quellensteuerpflichtigen Person

Ein wenig beachteter Aspekt im Rahmen der Neuregelungen sind die Quellensteuerfolgen rund um Zahlungen bei (respektive kurz vor) Stellenantritt und bei Austritt. Folgende drei Zahlungen sollen kurz betrachtet werden:

  • «Sign-on Bonus» (Zahlung eines Entgelts für den Stellenantritt)
  • Abgangsentschädigungen (auch als «goldener Fallschirm» bezeichnet)
  • Lohnfortzahlung während Freistellung

 

Sign-on Boni

Es ist (und durchaus nicht nur bei Profifussballern) teilweise üblich, neuen Mitarbeitenden einen Bonus zu zahlen, nur für die Tatsache, dass diese ihre Unterschrift unter den Arbeitsvertrag gesetzt haben. Solche Zahlungen können Monate vor dem eigentlichen Stellenantritt erfolgen. Ziffer 6.8 KS 45 hält abschliessend fest, dass solche Zahlungen in der Schweiz an der Quelle zu besteuern sind, selbst wenn der (zukünftige) Mitarbeitende allenfalls zum Zeitpunkt der Zahlung im Ausland ist und die Zahlung womöglich auch dort steuerpflichtig werden dürfte. Zwar gibt es für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit, eine Neuveranlagung der Quellensteuer bzw. eine Tarifkorrektur oder eine nachträgliche ordentliche Veranlagung zu beantragen, jedoch sind Konflikte im Bereich der internationalen Besteuerung solcher Zahlungen absehbar. Die Fragestellungen dürften ähnlich sein wie bei Lohnzahlungen während einer Freistellung.

 

Abgangsentschädigungen

Schon unter den aktuell geltenden Bestimmungen ist die (Quellen-)Besteuerung von Abgangsentschädigungen alles andere als einfach. Es stellt sich jeweils die Frage, ob die Abgangsentschädigung «Vorsorgecharakter» hat und in internationalen Konstellationen auch die Frage, ob die Entschädigung für die geleisteten Dienste ausgerichtet wird oder ob sie als Entschädigung für den Verlust der Arbeitsstelle und den Wegfall des Einkommens bezahlt wird. Diese Fragen bleiben grundsätzlich bestehen und ziehen je nach Qualifikation eine unterschiedliche Besteuerungsfolge nach sich.

Das KS 45 führt explizit aus, dass Zahlungen durch die schweizerische SSL bei oder nach Austritt auf jeden Fall quellensteuerpflichtig sind. Wiederum steht dem Steuerpflichtigen offen, die Quellensteuer auf solche Zahlungen, die er für nicht gerechtfertigt hält, mittels Neuveranlagung der Quellensteuer bzw. Tarifkorrektur oder einer nachträglichen ordentlichen Veranlagung überprüfen zu lassen.

 

Lohnfortzahlung während Freistellung

Interessant sind die Ausführungen in Ziffer 6.9 des KS 45. Nicht nur für die Frage, wo und zu welchem Tarif Zahlungen bei Austritt quellensteuerpflichtig sind, sondern insbesondere auch, weil hier ein Nagel eingeschlagen wird, wenn es um folgende Situation geht:
 

Herr Gerber, verheiratet, 2 schulpflichtige Kinder, wohnhaft und steuerlich ansässig in Hamburg/D, ist bei der Schweizer Glanzmann AG mit Sitz in Zürich beschäftigt und bezieht einen Bruttojahreslohn von CHF 220'000. Er arbeitet von Montag bis Freitag in der Schweiz und kehrt an den Wochenenden zurück zur Familie. Im Februar 2021 wird ihm gekündigt, er wird per sofort freigestellt, erhält aber während der 6-monatigen Kündigungsfrist weiterhin seinen Lohn. Die Zeit während der Freistellung verbringt er in Hamburg bei seiner Familie und sucht in Deutschland eine neue Stelle.

Hierzu schreibt das KS 45 explizit: «Lohnfortzahlungen an einen im Ausland ansässigen Arbeitnehmer, der nach erfolgter Kündigung freigestellt wird, sind – da diese auf einem weiterhin gültigen Arbeitsvertrag sowie einer in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit beruhen – an der Quelle zu besteuern».

Fazit: Obwohl ein Nicht-Ansässiger keinen einzigen Tag physisch in die Schweiz kommt, sieht das KS 45 hier die Pflicht für den vormaligen schweizerischen Arbeitgeber vor, Quellensteuern einzubehalten.


Auch in diesem Fall steht der quellenbesteuerten Person die Möglichkeit der Neuberechnung der Quellensteuer offen. Von dieser wird sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch Gebrauch machen müssen, da Deutschland dem Wortlaut des Doppelbesteuerungsabkommens CH/DE folgend ein Besteuerungsrecht dieser Einkünfte geltend machen dürfte.

 

Fazit

Nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Arbeitnehmende tun gut daran, sich zeitnah mit den Neuregelungen auseinanderzusetzen. Obwohl viele Personen in der Praxis von diesen Neuregelungen nicht weiter betroffen sein sollten, gibt es gewisse Konstellationen, bei denen die Neuregelungen unliebsame Überraschungen bergen dürften. Vor allem, da es alles andere als leicht scheint, sich als «Quasi-Ansässiger» zu qualifizieren.

Infolge der Quasi-Ansässigkeit dürften viele ausländische Arbeitnehmende die Steuerplanung in eigener Sache etwas vorantreiben. Denn die Möglichkeit einer nachträglichen ordentlichen Veranlagung bei gleichzeitigem Wohnort in einer steuergünstigen Gemeinde führt weitere Steuerermässigungen herbei. Der Quellensteuerpflichtige ist jedoch gut beraten, die Steuerpflicht im Ansässigkeitsland vorher genau abzuklären, um eine unerwünschte Doppelbesteuerung zu verhindern.

Des Weiteren sei den Arbeitgebern empfohlen, die Steuerfolgen bei der Ausrichtung von Abgangs-, Antritts- oder Lohnfortzahlungen im KS 45 zu befolgen, da sie als SSL für die (Nicht-)Abführung der geschuldeten Quellensteuer haftbar sind und sich eine nachträgliche Einforderung der Quellensteuern beim ausländischen Mitarbeitenden wohl eher schwierig gestalten dürfte.

 

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