AHV 21 - Chancen und Herausforderungen für Arbeitgebende

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Die Reform AHV 21 tritt per 1. Januar 2024 in Kraft. Neuerungen im Zusammenhang mit der AHV 21 fordern von Arbeitgebenden Anpassungen in verschiedenen Bereichen.

Dieser Artikel greift anfänglich die wichtigsten Punkte der Reform AHV 21 auf. Anschliessend zeigt er notwendige und mögliche Handlungsbereiche für Arbeitgebende auf. Gleichzeitig wird auf Chancen eingegangen, die es den Unternehmen ermöglichen, auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu sein und einem allfälligem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Die gesteigerte Lebenserwartung sowie die demographische Entwicklung führten zur Reform AHV 21. Ein verändertes Arbeitsverhalten, die Pensionierung der Babyboomer-Generation, das Abwandern von Fachkräften in andere Wirtschaftsbereiche und weitere Entwicklungen erhöhen den Druck auf Arbeitgebende auf dem Arbeitsmarkt. Eine gezielte und individualisierte Ressourcenplanung zur Sicherung von Fachwissen und Fachkräften bildet einen entscheidenden Erfolgsfaktor.

 

Die wesentlichen AHV-Änderungen kurz zusammengefasst

Einheitliches Rentenalter/Referenzalter für Frau und Mann

Mit der AHV 21 gilt ab 2028 für Frauen und Männer Rentenalter 65 Jahre. Dazu wird ab 2025 das Rentenalter für Frauen schrittweise erhöht. Referenzalter ersetzt den Begriff Rentenalter.
 

Ausgleichsmassnahmen für Frauen der Jahrgänge 1961 bis 1969

Frauen der Jahrgänge 1961 bis 1969 gehören zur Übergangsgeneration der AHV 21. Um für sie die Erhöhung des Referenzalters abzufedern, wurden Ausgleichmassnahmen beschlossen (Was bedeutet das «Ja» zur AHV 21?).
 

Flexibler Altersrentenbezug

Mit der AHV 21 wird der Rentenbezug weiter flexibilisiert. Renten können neu auch teilweise vorbezogen bzw. aufgeschoben werden: 
 

Beispiele zum Vorbezug der Rente Situation heute (Vorbezug Rente 2 Jahre) Mögliche Situation AHV 21 (Teilweiser Vorbezug (50%) 1,5 Jahre Mögliche Situation AHV 21 (Teilweiser Vorbezug um 18 Monate (25%) bzw. 12 Monate (50%) *
Rente AHV-Rente mit Abschlag von 13,6 % Rente (50 %) mit Abschlag von 10,2% Rente für 18 Monate mit Abschlag 10,2% (25%-Vorbezug) und für 12 Monate 6,8% (50%-Vorbezug)
Lohn
(d.h. Verbleib im Arbeitsprozess) **
Keine Erwerbstätigkeit mehr 50% Pensum bis Referenzalter Pensum 75% für die ersten 6 Monate des Vorbezugs, danach Reduktion auf 50% bis zum Referenzalter

* Der Teilbezug kann, während der 24 Monate vor Erreichen des Referenzalters, variabel gestaltet und angepasst werden.
** Mitarbeitende verbleiben im Betrieb und erfüllen dadurch die obligatorische AHV-Beitragspflicht bis zum Erreichen des Referenzalters.

 

Beispiele zum Aufschub der Rente Situation heute (Aufschub Rente 2 Jahre) Mögliche Situation AHV 21 (Teilweiser Aufschub (50%) 2 Jahre Mögliche Situation AHV 21 (Vorab Entscheid zum Aufschub der ganzen Rente für 5 Jahre, nach zwei Jahren angepasster Entscheid und Abruf der Rente von 40%) *
Rente AHV-Rente (100 %) mit Zuschlag von 10,8% Ab Alter 65 Rente (50%) ohne Zuschlag, ab Alter 67 zusätzlich Rente (50%) mit Zuschlag von 10,8% Im Alter 65 Meldung Aufschub ganze Rente, ab Alter 67 Abruf 40% Rente mit 10,8% Zuschlag, ab Alter 70 zusätzlich 60% Rente mit Zuschlag von 31,5%
Lohn Keine Erwerbstätigkeit mehr Pensum 50% bis Alter 67 Pensum 100% bis Alter 67, danach 60% bis Alter 70.

* Der Aufschub kann variabel gestaltet werden. Ein anfänglicher voller Aufschub kann später korrigiert werden.

Die Beispiele zeigen, wie die AHV 21 einen flexiblen Rückzug aus dem Erwerbsleben ermöglicht. Dies bietet für Arbeitgebende Chancen, entscheidendes Fachwissen gezielt zu übertragen und allenfalls auch länger im Unternehmen zu behalten.
 

Weiterarbeiten nach dem 65. Geburtstag kann sich lohnen

Wer heute nach Erreichen des Referenzalters weiterhin erwerbstätigt ist, bezahlt auf einem Einkommen bis 1'400 Schweizer Franken pro Monat keine Beiträge an die AHV. Übersteigt das Erwerbseinkommen diesen Freibetrag, so ist der Betrag über 1'400 Franken beitragspflichtig. Diese Beiträge fliessen nicht in die Berechnung der Rente ein, d.h. führen nicht zu einer höheren Altersrente.

Ab 2024 wird weiterarbeiten in der AHV nach dem Rentenalter attraktiver.

Der Freibetrag gilt unverändert, wobei Erwerbstätige im Rentenalter die Möglichkeit haben, auf den Freibetrag zu verzichten. Die so erarbeiteten AHV-Beiträge können zur Schliessung von allfälligen Beitragslücken oder zur Erhöhung des durchschnittlichen Einkommens für die Rentenberechnung genutzt werden. In beiden Fällen hat dies eine Verbesserung der ursprünglichen AHV-Leistungen zur Folge, sofern nicht ohnehin mit einer vollen Maximalrente gerechnet werden kann.

 

Beträge in CHF Situation heute
(nach Rentenalter)
Situation AHV 21 mit Freibetrag
(nach Referenzalter)
Situation AHV 21 mit Verzicht auf Freibetrag
(nach Referenzalter)
Salär (brutto) 3'500 3'500 3'500
Rentner-Freibetrag 1'400 1'400* 0*
AHV-beitragspflichtiger Betrag 2'100 2'100 3'500

* Arbeitnehmende müssen vor der ersten Lohnzahlung angeben, ob der AHV-Freibetrag berücksichtigt werden soll oder nicht. Ein Wechsel ist jeweils nur auf das folgende Kalenderjahr (Januar) möglich.

Nach dem Referenzalter kann einmalig eine Neuberechnung der Rente bei der Ausgleichskasse verlangt werden. Dann werden die neu erworbenen Beiträge und Erwerbszeiten nach dem Referenzalter berücksichtigt. So können zum Beispiel Beitragslücken vor dem Referenzalter beseitigt oder tiefe Durchschnittseinkommen erhöht werden. Beides kann zu höheren Monatsrenten führen. Je nach individueller Ausgangslage lohnt es sich daher, auf den Rentner-Freibetrag zu verzichten oder nicht.
 

Möglichkeiten zur Steigerung der Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt Dank AHV 21

Mitarbeitenden stehen ab 2024 in der ersten Säule verschiedene Möglichkeiten zu, den Übertritt vom Erwerbs- ins Rentenleben flexibel zu gestalten. Um den gewünschten Effekt zu maximieren, bedarf es weiterer Anpassungen in den übrigen Bereichen der Vorsorge. Hierbei ist ein Zusammenspiel mit Arbeitgebenden nötig.

Die AHV 21 wird für Arbeitgebende in verschiedenen Bereichen herausfordernd. Die zusätzliche Flexibilisierung des Referenzalters macht die Personalplanung inskünftig aufwändiger. Mit Blick auf den Fachkräftemangel und die demographische Entwicklung können aber genau hier Chancen liegen.

Nachfolgend werden verschiedene Bereiche aufgezeigt, in denen Anpassungen nötig sind. Diese Änderungen können sich positiv auf die künftige Personalplanung auswirken. Zudem betreffen die Massnahmen nicht nur Mitarbeitende der Baby-Boomer-Generation, der Fokus liegt dabei auf Mitarbeitenden aller Altersklassen. Sie steigern dadurch die Attraktivität für alle Mitarbeitenden und vermeiden allfällige Generationenkonflikte. 
 

Personalreglemente und Arbeitsverträge

Unternehmen regeln die Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden in individuellen Verträgen oder in allgemeingültigen Personalreglementen. Die Anpassungen der AHV 21 wirken sich auch auf diese Dokumente aus. Das bietet die Möglichkeit, die geltenden Vereinbarungen zu prüfen und auf den neusten Stand zu bringen.

Werden fixe Altersangaben (z.B. Pensionierung mit 64 Jahren) in diesen Dokumenten erwähnt, so sind diese den neuen gesetzlichen Vorgaben anzugleichen. Es empfiehlt sich, keine fixen Altersangaben, Jahreszahlen oder Prozentsätze zu nennen. Diese ersetzt man idealerweise mit unpersönlichen / offenen Angaben (z. B. Referenzalter).

Auch individuelle Abmachungen bezüglich Sozialversicherungen in Verträgen oder Reglementen sind, wo nötig, den Vorgaben gemäss AHV 21 anzupassen.

Möglichkeiten und Bedingungen bei Teilzeitarbeit, frühzeitiger Pensionierung und Weiterarbeit nach dem Referenzalter sind auf das Unternehmen abzustimmen und in geeigneter Form festzuhalten und zu regeln.
 

Berufliche Vorsorge (2. Säule)

Die AHV 21 wirkt sich auch auf die zweite Säule aus. Reglemente, Vorsorgepläne und individuelle Anschlussverträge sind auf Anpassungsbedarf bzw. Optimierungsmöglichkeiten hin zu prüfen. Punkte, bei denen direkt auf die erste Säule verwiesen wird, z. B. AHV-Alter, gilt es mit Referenzalter zu ersetzen.
 

  • Flexible Pensionierung in der Pensionskasse

Die berufliche Vorsorge bietet bereits verschiedene flexible Lösungen zum vorzeitigen Bezug von Leistungen. So können gemäss BVG-Leistungen bereits ab 58 Jahren bezogen werden, sofern das Reglement dies so vorsieht. Der gegenüber der ersten Säule grosszügigere Spielraum sollte beibehalten werden. Dies auch aufgrund der Tatsache, dass Leistungen aus der beruflichen Vorsorge als Rente oder Kapital bezogen werden können. Insbesondere bei Kapitalbezug kann eine Staffelung der Bezüge sinnvoll sein, wenn noch weitere Kapitalleistungen vorhanden sind. Durch eine gezielte Lenkung von Kapitalströmen bei der (teilweisen) Aufgabe der Erwerbstätigkeit lassen sich die Steuerlasten vorausschauend planen.
 

  • Weiterversicherung in der Pensionskasse

Kennt Ihr aktuelles Reglement die Möglichkeit einer Weiterversicherung über das Referenzalter hinaus? Viele Vorsorgeeinrichtungen bieten diese Lösung heute nicht an. Eine Weiterbeschäftigung ist trotzdem möglich, die BVG-Leistungen sind in diesem Fall aber zu beziehen. Eine Anpassung der Reglemente betreffend Weiterbeschäftigung drängt sich auf. Mitarbeitenden mit geringen Alterskapitalien bietet sich so die Möglichkeit, ihre Vorsorge weiterhin zu äufnen.
 

  • Senkung des Koordinationsabzugs prüfen

Bei Teilzeitbeschäftigten ist für das weitere Anwachsen des Alterskapitals der Koordinationsabzug entscheidend. Der Koordinationsabzug beträgt 25'725 Schweizer Franken pro Jahr (Stand 2023). Übersteigt das erzielte Einkommen die BVG-Eintrittsschwelle von 22'750 (Stand 2023) nicht, ist eine Weiterversicherung in der zweiten Säule nach dem Erreichen des Referenzalters uninteressant (Neuerungen Sozialversicherungen und Lohn 2023). Es bietet sich daher an, die Höhe des Koordinationsabzuges und damit verbunden den versicherten Lohn der Mitarbeitenden zu überdenken.

Eine Senkung des Koordinationsabzuges kommt nicht nur Mitarbeitenden nach Erreichen des Referenzalters zugute. Gleichzeitig wird allgemein die Teilzeitarbeit innerhalb des Unternehmens attraktiver. Ein grösserer Kreis von Mitarbeitenden wird der Pensionskasse angeschlossen und spart so ein persönliches Altersguthaben an.
 

  • Vorgehen und einbinden aller betroffenen Parteien

Die Vorsorgelösung anzupassen und zu optimieren, kostet Zeit und Geld. Neben Kosten für die Beratung des Experten für berufliche Vorsorge und die Genehmigung der Reglemente kann es zu Mehrkosten bei den BVG-Beiträgen kommen. Hierbei teilen sich Arbeitnehmende und Arbeitgebende in der Regel die Kosten.  Eine flexible, moderne Vorsorgelösung bildet richtig kommuniziert einen Mosaikstein zur Beseitigung eines Fachkräftemangels.

Unternehmen können solche Kosten teilweise über die Arbeitgebendenbeitragsreserve finanzieren, sofern vorhanden. Prüfen Sie daher im Zusammenhang mit der Jahresabschlussgestaltung, ob allenfalls eine Einlage in die Arbeitgebendenbeitragsreserve sinnvoll und möglich ist. Dadurch lassen sich Gewinne und damit auch die Steuerbelastung glätten.

Um diese Arbeiten anzugehen, kontaktieren Arbeitgebende, die einer betriebseigenen Pensionskasse angeschlossen sind, den zuständigen Experten für berufliche Vorsorge und loten gemeinsam die Anpassungen im Sinne der AHV 21 aus. Unternehmen, die einer Sammelstiftung angeschlossen sind, suchen das Gespräch mit der Geschäftsführung der Stiftung, erkundigen sich dort nach den Möglichkeiten und bringen dort Anpassungswünsche ein. Fachexpertinnen und -experten von BDO stehen Ihnen hier gerne zur Seite.
 

Frühzeitig Planen

Zu beachten gilt es indes, dass diese Massnahmen Zeit benötigen und allenfalls die Zustimmung der Mitarbeitenden bedürfen.

Der ausgetrocknete Arbeitsmarkt, der Fachkräftemangel und die Tatsache, dass sich mit der Pensionierung der Babyboomer-Generation die Situation weiter verschärft, fordert die Unternehmen zum Handeln.

Ein attraktives Gesamtpaket hilft, neue Talente zu gewinnen, aber vor allem auch bewährte, erfahrene Mitarbeitende ans Unternehmen zu binden. Mit dem heutigen System scheiden Mitarbeitende häufig zum 64. / 65. Geburtstag aus einem Unternehmen aus. Mit der Pensionierung geht Fachwissen und Qualität verloren. Die Reformen der AHV 21 bieten durch die flexible Gestaltung des Rentenalters die Möglichkeit, Mitarbeitende auch weiterhin an sich zu binden. Aber auch ein frühzeitiges, gestaffeltes Ausscheiden aus dem Unternehmen wird ermöglicht.

Die Planung der Pensionierung ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Die optimale Gestaltung unter Berücksichtigung der rechtlichen und steuerlichen Aspekte erfordert eine gute Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen. BDO bietet gesamtheitliche Beratung aus einer Hand.

 


 

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