Neues Stiftungsrecht: Stärkung des Stiftungsstandorts Schweiz oder verpasste Chance?

Zur Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts wurde im Jahr 2014 eine parlamentarische Initiative eingereicht. Das Parlament wurde aufgefordert, die Rahmenbedingungen für ein wirksames und liberales Schweizer Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesen zu stärken. Im Dezember 2021 beschloss das Parlament unter dem Titel «Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts» eine Revision des Schweizer Stiftungsrechts. Die Änderungen treten per 1. Januar 2024 in Kraft. Was ändert sich für Stiftungen?

 

Im Grossen und Ganzen bleibt das Schweizer Stiftungsrecht unverändert. Dennoch sind einige punktuelle Änderungen zu beachten:

 

1. Gesetzliche Regelung der Stiftungsaufsichtsbeschwerde

Die Stiftungsaufsichtsbeschwerde war bisher in der Praxis anerkannt, gesetzlich aber nicht geregelt. Das Gesetz sieht neu eine abschliessende Liste von beschwerdeberechtigten Personen vor. Es handelt sich dabei um:

  • Begünstigte oder Gläubigerinnen und Gläubiger der Stiftung,
  • Stifter oder Stifterin,
  • Zustiftende und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, die ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit dem Gesetz und den Stiftungsurkunden im Einklang stehen.

Es ist als positives Zeichen zu werten, dass die Stiftungsaufsichtsbeschwerde nun gesetzlich geregelt ist (Art. 84 Abs. 3 nZGB). Dennoch wird teilweise bedauert, dass die Beschwerdeberechtigung nicht offener formuliert wurde.

 

2. Erweiterung der Rechte von Stiftenden: Vorbehalt für künftige Organisationsänderungen

Die Stiftenden konnten den Zweck der Stiftung bisher nur ändern, wenn sie sich dies in der Stiftungsurkunde oder in einer Verfügung von Todes wegen vorbehalten hatten. Neu können die Stiftenden neben der Zweckänderung auch eine künftige Änderung der Stiftungsorganisation für sich vorbehalten.

Indem sich Stiftende eine künftige Änderung der Stiftungsorganisation vorbehalten, können sie zu einem späteren Zeitpunkt beispielsweise:

  • die Berechtigung für die Wahl und Abwahl von Stiftungsratsmitgliedern neu regeln,
  • Ansprüche auf Einsitz im Stiftungsrat neu schaffen oder aufheben,
  • Organe abschaffen oder neue Organe einsetzen,
  • die Anzahl der Stiftungsratsmitglieder neu festlegen,
  • sich selbst ein Vetorecht bei der Entschlussfassung des Stiftungsrates einräumen,
  • Regelungen zur Verwaltung oder Zusammensetzung des Vermögens erlassen, ändern oder aufheben sowie
  • die Bestimmung ändern, dass das Stiftungsvermögen erhalten werden muss oder verbraucht werden kann.

Sofern in der Stiftungsurkunde ein Organisationsvorbehalt aufgenommen wird, haben die Aufsichtsbehörden die von den Stiftenden beantragten Organisationsänderungen in die Statuten aufzunehmen. Dies kann auch ohne Rücksprache mit dem Stiftungsrat oder gegen dessen ausdrücklichen Willen erfolgen.

Ein Vorbehalt von Organisationsänderungen kann eine Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen erleichtern. Eine Organisationsänderung kann sich auch infolge einer heute bereits zulässigen Zweckänderung aufdrängen. Der Vorbehalt einer Organisationsänderung erweitert die Möglichkeiten der Stiftenden, auch nach der Gründung Einfluss auf die Stiftung zu nehmen. Solche nachträglichen Änderungen sind sogar mehrmals möglich. Allerdings müssen zwischen der Errichtung der Stiftung respektive einer früheren Änderung und einem neuen Änderungsantrag mindestens zehn Jahre verstrichen sein. Zudem haben die Stiftenden die Änderung selbst zu beantragen. Das Änderungsrecht ist nicht übertragbar und nicht vererblich.

Der neu aufgenommene Vorbehalt von Organisationsänderungen stärkt die Rechte der Stiftenden und ermöglicht ihnen mehr Flexibilität. Wird ein solcher Vorbehalt in der Stiftungsurkunde vorgesehen, kann dies allerdings zu einer Schwächung der Unabhängigkeit der Stiftung führen, da die Stiftenden Organisationsänderungen auch ohne Rücksprache mit dem Stiftungsrat oder sogar gegen dessen Willen beantragen und durchsetzen können.

Auch wenn das neue Stiftungsrecht erst am 1. Januar 2024 in Kraft tritt, hat die Eidgenössische Stiftungsaufsicht erklärt, dass sie bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Stiftungsrechts neue Stiftungsurkunden akzeptiert, die den Organisationsvorbehalt enthalten.

 

3. Vereinfachung von Änderungen der Stiftungsurkunde

Das neue Stiftungsrecht sieht neben dem Änderungsvorbehalt noch zwei formelle Vereinfachungen von Änderungen der Stiftungsurkunde vor:

  • Der Gesetzeswortlaut lockert die Voraussetzungen für unwesentliche Änderungen der Stiftungsurkunde. Es genügt, wenn die Änderungen sachlich gerechtfertigt sind (ohne «triftige sachliche Gründe») und keine Rechte Dritter beeinträchtigen. Die Umformulierung dürfte in der Praxis keine grossen Veränderungen bewirken.
  • Es wird klargestellt, dass Änderungen der Stiftungsurkunde keiner öffentlichen Beurkundung bedürfen. Die Änderungsverfügung der zuständigen Aufsichtsbehörden ist ausreichend.

 

4. Keine gesetzliche Regelung der Honorare von Stiftungsräten

Ein wesentliches Anliegen der Reform war eine gesetzliche Klarstellung, dass angemessene Honorare für Stiftungsräte die Steuerbefreiung der Stiftung nicht gefährden dürfen. Das Parlament hat diesen Änderungsantrag jedoch abgelehnt.

Die kantonalen Steuerbehörden berufen sich in der Regel auf die Praxishinweise der Schweizerischen Steuerkonferenz zur Steuerbefreiung juristischer Personen vom 18. Januar 2008. Darin ist festgehalten, dass bei üblichen Tätigkeiten als Mitglied eines Stiftungsrates von uneigennützigem Handeln ausgegangen wird und nur die effektiv entstandenen Kosten entschädigt werden. Moderate Sitzungsgelder können toleriert werden. Tätigkeiten, welche über die ordentliche Tätigkeit eines Stiftungsratsmitglieds hinausgehen, dürfen hingegen in geeigneter Weise entschädigt werden, ohne nachteilige Folge für die Steuerbefreiung der Stiftung. Den kantonalen Steuerverwaltungen steht im Hinblick auf die Gewährung der Steuerbefreiung ein erheblicher Ermessensspielraum zu, insbesondere bei der Auslegung des Begriffs «moderate Sitzungsgelder». Die kantonalen Behörden wenden bei der Ausübung ihres Ermessens sehr unterschiedliche Massstäbe an, was zu erheblicher Ungleichheit und Rechtsunsicherheit führt.

Solange Steuerbehörden verlangen, dass Stiftungsräte von steuerbefreiten Stiftungen die Verantwortung und Leitung ehrenamtlich übernehmen, wird die Auswahl an potenziell geeigneten, engagierten Stiftungsräten erheblich eingeschränkt. Zudem kann durch die fehlende Entschädigung auch die Professionalität von steuerbefreiten Stiftungen leiden.

Die Musterstatuten der Eidgenössischen Aufsichtsbehörde enthalten neu eine Klausel, welche eine angemessene Vergütung ausdrücklich zulässt. Damit signalisiert mindestens die Eidgenössische Aufsichtsbehörde, dass sie eine Vergütung in angemessenem Rahmen stiftungsrechtlich akzeptiert.

Würden auch die Steuerbehörden eine angemessene Vergütung der Stiftungsräte akzeptieren, ohne die Steuerbefreiung der Stiftungen deswegen in Frage zu stellen, hätte dies überaus positive Auswirkungen auf die Attraktivität und Professionalität des Stiftungsstandorts Schweiz.

 

5. Fazit

Die Revision des Stiftungsrechts bringt eine gewisse Erleichterung bei Änderungen von Stiftungsurkunden, schafft eine gesetzliche Grundlage für die Stiftungsaufsichtsbeschwerde und erweitert die nachträglichen Einflussmöglichkeiten der Stiftenden. Insofern führt sie zu einer gewissen Stärkung des Stiftungsstandorts Schweiz. Auswirkungen mit grösserer Tragweite sind jedoch kaum zu erwarten.