Wie Sie den Konkurs abwenden können

Zeichnet sich die Gefahr eines Konkurses ab, sollten die zu ergreifenden Massnahmen fachlich begleitet werden, um die Schäden für die Gläubiger, Mitarbeitenden aber auch für die Inhaber möglichst gering zu halten. Es gibt in vielen Fällen Möglichkeiten, einen Konkurs zu verhindern. Diese legen wir Ihnen im Folgenden dar.

Über die Erleichterungen für Unternehmen gemäss der COVID-19-Verordnung des Bundesrates zum Insolvenzrecht haben wir im Newsletter April 2020 ausführlich berichtet: «Sanierungsrecht - Grundlagen und COVID-19-Verordnung».

In den folgenden Fällen sind Massnahmen zu ergreifen:

  • Die Voraussetzungen für einen Kredit gemäss der COVID-19-Bürgschaftsverordnung oder eine
    COVID-19-Stundung sind nicht gegeben.
  • Während einer COVID-19-Stundung wird deutlich, dass eine Sanierung bis Ende 2020 und die Fortführung des Betriebs nicht möglich sind.

Ist die Ertragslage des Betriebes trotz Einsparungsmassnahmen ungenügend und können die Einnahmen die laufenden Kosten nicht decken, ist die Begleichung der bestehenden Gläubigerforderungen ohne weitere einschneidende Massnahmen illusorisch. Wir stellen nachfolgend die verschiedenen Möglichkeiten dar, die Ihnen in einer solchen Situation zur Verfügung stehen. Welche dieser Möglichkeiten die beste Lösung ist, hängt von der individuellen Sachlage, den Zukunftsaussichten, dem Grad der Verschuldung und von weiteren Faktoren ab.

 

1 Stille Sanierung

Hierbei handelt es sich um eine private interne Sanierung, ohne gerichtliches Verfahren und dementsprechend ohne Publikation und Schuldnerschutz (Betreibungen sind jederzeit möglich). Sie setzt voraus, dass alle Forderungen bei Fälligkeit zu 100 Prozent gedeckt werden können – allenfalls durch Zuschüsse der Eigentümer oder durch Forderungsverzichte. Rangrücktritte erlauben zwar, auf die Benachrichtigung des Richters gemäss Art. 725 Abs. 2 OR zu verzichten, führen aber keine Sanierung herbei.

 

2 Konkursaufschub

Der Konkursaufschub (sogenanntes aktienrechtliches Moratorium) bezweckt, Zeit für eine dauerhafte Sanierung zu gewinnen, den Fortbestand des Unternehmens sicherzustellen und damit die Interessen aller Betroffenen, insbesondere der Gläubiger, bestmöglich zu schützen.

Formelle und zwingende Voraussetzung für die Gewährung eines Konkursaufschubes ist die Überschuldungsanzeige an den Richter durch den Verwaltungsrat und ein damit einhergehendes, vom Verwaltungsrat (Gesamtverwaltungsrat) zu stellendes Gesuch um Konkursaufschub gemäss Art. 725a OR. Dafür muss der Verwaltungsrat (VR) zügig handeln, denn falls aufgrund der Untätigkeit des VR die Revisionsstelle den Richter benachrichtigt, darf kein Aufschub mehr gewährt werden.

Voraussetzung für ein Konkursaufschubsgesuch ist der Wille zur Fortführung und die Fähigkeit, die Sanierung finanzieren zu können. Aus diesem Grund müssen die Sanierungsaussichten in einem Sanierungsplan dargelegt werden. Die Gläubigerforderungen sind innert der vom Gericht verfügten Frist vollständig zu tilgen. Die Sanierung kann insbesondere durch Zuschüsse von Gesellschaftern à fonds perdu, Kapitalerhöhungen oder Forderungsverzichten von Gläubigern erreicht werden. Stundungsvereinbarungen mit Gläubigern schonen kurzfristig die Liquidität und hemmen allenfalls die Konkurseröffnung, bedeuten aber noch keine Sanierung.

Der Konkursaufschub ist ein heikles Instrument und wird im Gesetz nur in einem einzigen Artikel ausgeführt. Gemäss Rechtsprechung und herrschender Lehre dient der Aufschub dazu, ausreichend Zeit für eine Sanierung zu verschaffen und darf nicht zur Vorbereitung einer Liquidation missbraucht werden.

 

3 Aussergerichtlicher Nachlass

Der aussergerichtliche Nachlass basiert auf einer privaten Vereinbarung des Schuldners mit seinen Gläubigern, ohne formelles gerichtliches Verfahren. In der Regel ist das Anstreben dieser Nachlassart nur dann sinnvoll, wenn wenige und vorab wohlgesinnte Gläubiger involviert sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gilt, dessen Einhaltung oft nicht möglich ist, weil regelmässig einzelne Gläubiger und insbesondere öffentlich-rechtliche Forderungsinhaber (z.B. Steuern) nicht zustimmen. Bei Letzteren besteht allenfalls die Möglichkeit, der Situation mit Steuererlassbegehren zu begegnen.

 

4 Ordentlicher Nachlass mit Prozentvergleich (sog. Dividendenvergleich)

Es handelt sich um ein Verfahren gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) und wird eingeleitet mit einem Gesuch um eine vorerst provisorische Stundung beim zuständigen Gericht. Dem Gesuch sind eine aktuelle Bilanz, eine Erfolgsrechnung, eine Liquiditätsplanung und ein provisorischer Sanierungsplan beizulegen (Art. 293 SchKG).

Hat sich der Richter von den plausiblen Sanierungsaussichten überzeugt, wird er eine vorerst auf maximal vier Monate beschränkte provisorische Stundung verfügen und einen Sachwalter bezeichnen, der die Aufsicht über den Schuldner ausübt und die Gläubigerinteressen zu wahren hat. Der Sachwalter hat innert der Frist der provisorischen Stundung dem Gericht einen Bericht mit seiner Beurteilung der Sanierungsaussichten einzureichen. Bei positiver Beurteilung wird er dem Gericht einen Antrag auf Gewährung der definitiven Stundung (i.d.R. vorerst auf sechs Monate) stellen. In diesem Verfahren ist die Publikation der Stundung und die Einsetzung eines Sachwalters meist unerlässlich. Dafür geniesst der Schuldner Schutz vor Betreibungen und Konkurs und laufende Gerichtsverfahren gegen ihn werden von Amtes wegen sistiert.

Während der definitiven Stundung wird der Betrieb weitergeführt. Dies unter Aufsicht des Sachwalters, der ein Inventar aufnimmt, einen Schuldenruf durchführt, die Gläubigerversammlung einberuft und einen den Möglichkeiten des Schuldners angepassten Nachlassvertrag entwirft. Bedingungen für das zustande kommen des Nachlassvertrages sind die vollständige Deckung der Forderungen der 1. und 2. Klasse, der Masseverbindlichkeiten (nach Stundung entstandene Verbindlichkeiten) und der Verfahrenskosten. Stimmberechtigt zum Nachlassvertrag sind alle Gläubiger mit nicht gesicherten Forderungen (3. Klasse). Der Nachlassvertrag kommt zustande, wenn ihm entweder die Mehrheit der Gläubiger, die gleichzeitig mindestens zwei Drittel aller Forderungen vertreten oder ein Viertel der Gläubiger, die gleichzeitig mindestens drei Viertel der Forderungen vertreten, schriftlich zugestimmt haben (Gläubiger- und Forderungsquoren gemäss Art. 305 Abs. 1 SchKG).

Der Richter prüft den Vertrag und, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, erklärt ihn für rechtskräftig (auch für die nicht zustimmenden Gläubiger). Die 3. Klasse-Gläubiger erhalten in der Folge eine Dividende im Verhältnis ihrer Forderungen. Auf den nicht durch die Dividende gedeckten Forderungsbetrag haben die Gläubiger vertraglich verzichtet. Damit wird die Stundung aufgehoben und die Schuldnerin wird als nunmehr saniert aus der Aufsicht von Sachwalter und Gericht entlassen.

 

5 Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, Liquidationsvergleich

Dieses Verfahren kommt demjenigen des ordentlichen Nachlassverfahrens in weiten Teilen gleich. Ihm geht ein Stundungsgesuch und eine provisorische Stundung voraus, gefolgt von einer definitiven Stundung. Wie im ordentlichen Nachlassverfahren sind auch beim Liquidationsvergleich privilegierte Forderungen, Masseverbindlichkeiten und Verfahrenskosten zwingend vollständig zu begleichen. Publikation und Einsetzung eines Sachwalters sind hier unerlässlich.

Anders als im Dividendenvergleich wird beim Liquidationsvergleich den Gläubigern vorgeschlagen, dass der Schuldner den Gläubigern das ganze Vermögen oder Teile davon abtritt. Ein an der Gläubigerversammlung zu bestimmender Liquidator wird unter Aufsicht eines aus Gläubigern gewählten Gläubigerausschusses beauftragt, das Vermögen zu liquidieren und aus dem Erlös den Gläubigern der 3. Klasse eine Nachlassdividende im Verhältnis ihrer Forderungen auszubezahlen. Bei Zustandekommen der Zustimmungsquoren (vgl. oben Ziff. 4) tritt die Gesellschaft in Liquidation.

In der Liquidationsphase ist es möglich, das ganze Vermögen oder Teile davon en bloc zu verkaufen oder in eine sogenannte Auffanggesellschaft einzubringen und den Kauf- (Übernahme-)preis in Form einer Dividende zu verteilen. Das Einbringen von Vermögensteilen in eine neue Gesellschaft bedarf genauer Abklärungen hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen und der Struktur der Auffanggesellschaft (z.B. als Tochtergesellschaft). Auch mit Gläubigern, Geldgebern, Arbeitnehmern etc. müssen Abklärungen getroffen werden. Nach der Durchführung der Liquidation und dem Vollzug des Nachlassvertrages wird das Verfahren geschlossen und die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht.

 

6 Konkurs

Ist keines der oben beschriebenen Verfahren erfolgversprechend, bleibt nur die Benachrichtigung des Richters (oft auch als «Deponierung der Bilanz» bezeichnet) und die unmittelbar darauffolgende Konkurseröffnung.

Der Konkurs ist die einschneidendste Massnahme und bedeutet den sofortigen Stillstand des Betriebes. Das gesamte betriebliche Vermögen wird liquidiert und das Unternehmen hört auf zu existieren. Das Verfahren wird vom Konkursamt geführt.

Droht der Konkurs, sollten unverzüglich Vorkehren getroffen werden, um noch grösseren Schaden zu vermeiden und mögliche Haftungsfolgen zu minimieren.

 

Wichtige Punkte vor der Benachrichtigung des Richters

  • Es ist unbedingt zu prüfen, ob und wie viele Lohnausstände bestehen. Zahlungen an privilegierte Forderungsinhaber in der ersten Klasse sind möglich, ohne eine Anfechtung zu riskieren.

  • Sind Lohnausstände bezahlt, sollten unbedingt AHV-Ausstände (zweite Klasse) beglichen werden, denn die Organe werden gemäss AHV-Gesetz persönlich haftbar für nicht bezahlte Beiträge.

  • Wurden Beiträge für Sozialversicherungen (z.B. AHV, Pensionskasse, Unfallversicherung) den Arbeitnehmern abgezogen, aber nicht an die entsprechende Sozialversicherung weitergeleitet, kann dies gar strafrechtliche Konsequenzen haben (Missbrauch von Lohnabzügen).

  • Zahlungen an einzelne Gläubiger sollten auf keinen Fall ausgeführt werden. Solche Zahlungen werden vom Konkursamt angefochten und bedeuten strafrechtlich eine Gläubigerbevorzugung.

  • Rückzahlung von Darlehen und ungerechtfertigte Auszahlungen an Organe und/oder Eigentümer sind zu unterlassen oder zu korrigieren, indem ungerechtfertigte Zahlungen wieder zurückbezahlt werden.

 

Dies sind nur einige der Fälle, die eine Haftung der Organe (Verwaltungsrat, Geschäftsleitung) nach sich ziehen können. Es lohnt sich deshalb, die Situation rechtzeitig prüfen und sich beraten zu lassen, um noch vor der drohenden Konkurseröffnung Weichen stellen zu können. Ist der Konkurs eröffnet und will man sich nicht in einem Strafverfahren wiederfinden, darf in keinem Fall weiterhin über Geschäftsvermögen verfügt werden.

 

Fazit

Ernsthafte Unternehmenskrisen bedeuten nicht zwingend den Konkurs und das Ende eines Unternehmens. Vorgängig sind alle Möglichkeiten zu prüfen.

Vielleicht ist eine Sanierung möglich oder es kann ein Rangrücktritt erwirkt werden. Falls die Sanierung länger als ein bis zwei Monate Zeit benötigt, sollte ein richterlicher Konkursaufschub geprüft und allenfalls ein Nachlassgesuch gestellt werden - eine gute Möglichkeit, einen grösseren Schaden zu vermeiden.

Wenn ein Konkurs unausweichlich erscheint, sind sorgfältige Vorbereitungen angebracht. Da dem Unternehmer bzw. der Unternehmerin in der Regel die Erfahrung dahingehend fehlt, worauf zu achten ist, sollte unbedingt eine Fachperson hinzugezogen werden. Nur eine fachliche Konkursbegleitung garantiert, dass die Schäden für die Gläubiger, Mitarbeitenden aber auch für die Organe und Inhaber möglichst gering gehalten werden können.

 

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