Abschaffung der Inhaberaktie

Das Schweizer Parlament hat beschlossen, Inhaberaktien weitgehend abzuschaffen. Unternehmen, die Inhaberaktien ausgegeben haben, müssen von wenigen Ausnahmen abgesehen bis 30. April 2021 sämtliche Inhaberaktien in Namenaktien umwandeln. Wird diese Pflicht nicht befolgt, drohen einschneidende Sanktionen für Aktionäre und Leitungsorgane – vom Verlust der Aktien über Bussen bis zu 10'000 Franken bis hin zur zwangsweisen Liquidation des Unternehmens.

 

Keine Ausgabe von neuen und zwingende Umwandlung bestehender Inhaberaktien

Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke am 1. November 2019 ist die Neuausgabe von Inhaberaktien untersagt.

Bestehende Inhaberaktien sind innerhalb einer Frist von 18 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes, d.h. bis zum 30. April 2021, in Namenaktien umzuwandeln. Handeln die Organe der Gesellschaft nicht, so werden die bestehenden Inhaberaktien von Gesetzes wegen automatisch in Namenaktien umgewandelt. Nach einer solchen zwangsweisen Umwandlung werden künftige Anmeldungen zur Eintragung von Statutenänderungen durch das Handelsregisteramt abgewiesen, solange die Statuten nicht an die Umwandlung angepasst sind.

 

Ausnahmen

Inhaberaktien sind nur in den zwei folgenden Fällen weiterhin zulässig:

  1. Wenn sie von einer Gesellschaft mit börsenkotierten Beteiligungspapieren gehalten oder ausgegeben werden, oder
  2. wenn sie als Bucheffekten ausgestaltet, d.h. bei einem depotführenden Institut hinterlegt sind.

Ist eine der beiden genannten Voraussetzungen erfüllt, so ist bis 30. April 2021 ein Eintrag dieser Tatsache im Handelsregister vorzunehmen, bei Untätigkeit werden auch solche Aktien automatisch und zwangsweise umgewandelt.

 

Handlungsbedarf für die Aktionäre

Das bisherige Recht verpflichtet Aktionäre, die Inhaberaktien einer nicht börsenkotierten Gesellschaft erwerben, der Gesellschaft ihren Vor- und Nachnamen oder ihre Firma sowie ihre Adresse zu melden und sich durch Belege zu identifizieren (Art. 697i OR). Nach Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien werden diejenigen Aktionäre in das Aktienbuch eintragen, die diese Meldepflicht erfüllt haben. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Umwandlung aktiv von der Gesellschaft initiiert wurde oder per 1. Mai 2021 automatisch stattgefunden hat.

Weiter besteht bereits unter dem bisherigen Recht eine Pflicht zur Meldung der an den Aktien wirtschaftlich berechtigten Person. Wer allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Aktien einer nicht börsenkotierten Gesellschaft erwirbt und dadurch den Grenzwert von 25 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen erreicht oder überschreitet, hat der Gesellschaft die Identität und Adresse der natürlichen Person zu melden, für die er letztendlich handelt (wirtschaftlich berechtigte Person, Art. 697j OR).

  • Bisherige Inhaberaktionäre haben bis spätestens 30. April 2021 sicherzustellen, dass sie der Gesellschaft den Besitz ihrer Aktien und allenfalls die wirtschaftlich daran berechtigten Personen korrekt gemeldet haben.

 

Handlungsbedarf für den Verwaltungsrat und die Geschäftsführung

Die Gesellschaftsorgane haben vor der Umwandlung der Aktien genau zu prüfen, ob sie ihr Verzeichnis der Inhaberaktionäre sowie das Verzeichnis über die ihr gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen ordnungsgemäss führen.

Sofern keine Meldung durch (bekannte) Aktionäre erfolgt ist, Unsicherheit über den Aktienbesitz besteht oder der Aktionär nicht bekannt ist, sollte die Übergangsfrist genutzt werden, um das Verzeichnis zu bereinigen:

  • Durch besondere Mitteilung an die der Gesellschaft bekannten Aktionäre sowie an ihr bekannte Personen, die möglicherweise Aktionäre sind und
  • durch öffentliche Bekanntmachung im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) für die der Gesellschaft nicht bekannten Inhaberaktionäre.

Den leitenden Organen der Gesellschaft wird empfohlen, die Übergangfrist sinnvoll zu nutzen:

  • Aktive Bereinigung des Verzeichnisses der Inhaberaktionäre und des Verzeichnisses der wirtschaftlich berechtigten Personen
  • Einberufung einer Generalversammlung für den Beschluss über die Statutenänderung und die Umwandlung der Aktien (öffentlich zu beurkunden)
  • Eintragung der Statutenänderung im Handelsregister

 

Verschärfte Sanktionen bei Missachtung der Meldepflicht der Aktionäre

Aktionäre, die ihrer Meldepflicht nach Art. 697i OR nicht nachkommen und deren Inhaberaktien automatisch in Namenaktien umgewandelt werden, können ab dem 1. Mai 2021 die versäumte Meldung bei der Gesellschaft nicht einfach nachholen, sondern sie müssen ihre Eintragung in das neue Aktienbuch innert einer Verwirkungsfrist von fünf Jahren ab Inkrafttreten des neuen Rechts, d.h. bis zum 1. November 2024, beim Gericht beantragen und ihre Aktionärseigenschaft beweisen.

Nach Ablauf der fünf Jahre und bei Untätigkeit des Aktionärs werden die betroffenen Aktien nichtig, d.h. vernichtet und durch eigene Aktien der Gesellschaft ersetzt. Der entsprechende Inhaberaktionär verliert in diesem Fall sämtliche Rechte - ohne Entschädigung. Nur in Fällen, in denen Aktien ohne eigenes Verschulden des Eigentümers nichtig geworden sind, kann der betroffene Aktionär bei der Gesellschaft innert zehn Jahren seit Eintritt der Nichtigkeit unter Nachweis seiner Aktionärseigenschaft eine Entschädigung geltend machen.

 

Neue Tatbestände für Organisationsmängel

Führt eine Gesellschaft das Aktienbuch oder das Verzeichnis über die ihr gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen nicht vorschriftsgemäss oder hat sie Inhaberaktien ausgegeben, ohne dass ein Ausnahmetatbestand vorliegt, so liegt unter dem neuen Gesetz ein Organisationsmangel vor. Jeder Aktionär, Gläubiger oder der Handelsregisterführer kann in einem solchen Fall dem Gericht beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen. Das Gericht kann der Gesellschaft - unter Androhung ihrer Auflösung - eine Frist ansetzen, binnen deren der rechtmässige Zustand wiederherzustellen ist und, als ultima ratio, die Gesellschaft auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen.

 

Neue Straftatbestände für Aktionäre und Gesellschaftsorgane

Unter geltendem Recht sind hauptsächlich Aktionäre, die sich nicht an die geltenden Meldepflichten halten, von Sanktionen betroffen. Sie verlieren ihr Vermögensrecht aus den Aktien und können Mitgliedschaftsrechte nicht ausüben. Das neue Gesetz baut die Sanktionen bei Verletzungen von Meldepflichten oder Vorschriften zur Führung der erforderlichen Verzeichnisse erheblich aus.

Künftig gilt:

  • Aktionären und Gesellschaftern von GmbHs, die vorsätzlich ihrer Pflicht zur Meldung der wirtschaftlich berechtigten Person nicht nachkommen, droht neben dem Verlust ihrer Vermögens- und Mitwirkungsrechte neu auch eine (strafrechtliche) Busse bis zu 10'000 Franken.
  • Mitgliedern des Verwaltungsrats (AG oder SICAV), den Geschäftsführern (GmbH) und der Verwaltung (Genossenschaft), die vorsätzlich das Aktienbuch oder das Verzeichnis über die wirtschaftlich berechtigten Personen nicht vorschriftsgemäss führen oder die damit verbundenen gesellschaftsrechtlichen Pflichten verletzen, droht neu ebenfalls eine (strafrechtliche) Busse bis zu 10'000 Franken.

Mit der Schaffung neuer Straftatbestände soll die Kritik des Global Forums adressiert werden, wonach in der Schweiz bislang keine klaren Konsequenzen für den Fall der Verletzung der genannten Pflichten bestehen. Handlungsbedarf besteht folglich nicht nur für Gesellschaften mit Inhaberaktien. Auch GmbHs, Aktiengesellschaften mit Namenaktien, Genossenschaften und Investmentgesellschaften mit variablem Kapital sind angehalten, ihre Anteilsbücher, Verzeichnisse und Meldungen zu prüfen, um strafrechtliche Sanktionen zu vermeiden und keinen Organisationsmangel zu riskieren.

 

Eckdaten

1. No­vem­ber 2019 1. Mai 2021 1. No­vem­ber 2024 31. Ok­to­ber 2034

Be­schrän­kung des Rechts zur Schaf­fung neu­er In­ha­ber­ak­tien

Au­to­ma­ti­sche Um­wand­lung un­zu­läs­sig­er In­ha­ber­ak­tien in Na­men­ak­tien Au­to­ma­tisch­es Nich­tig­wer­den der Ak­tien nicht ge­mel­de­ter Ak­tio­nä­re Un­ter­gang des Ent­schä­di­gungs­anspruch­es von schuld­los ent­rech­te­ten Ak­tio­nä­ren

In­kraft­tre­ten des neu­en Bun­des­ge­setz­es

In­kraft­tre­ten von Art. 327a STGB
Ab­lauf der Über­gangs­frist zur frei­wil­lig­en Um­wand­lung Ab­lauf der Ver­wirk­ungs­frist zur ge­richt­lich­en Ein­tra­gung  

 

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