Indirekter Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative (KVI) - die zentralen Fragen im Überblick

Worum geht es?

Die Bundesversammlung hat am 19. Juni 2020, im Rahmen der Debatten rund um die Aktienrechtsrevision, den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» angenommen. Nach der Ablehnung der Volksinitiative am 29. November 2020 hat der Bundesrat am 3. Dezember 2021 das Gesetz auf den 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt. Es handelt sich um die Bestimmungen über die Transparenz bezüglich nichtfinanzieller Belange (Art. 964a ff. OR) und Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit (Art. 964j ff. OR).

Die Verordnung des Bundesrates vom 3. Dezember 2021 über Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit (VSoTr) ist ebenfalls am 1. Januar 2022 in Kraft getreten.

Die Verordnung über die Berichterstattung über Klimabelange steht bis zum 7. Juli 2022 in der Vernehmlassung. Die Verordnung sollte am 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Die Änderungen des OR (Aktienrecht) vom 19. Juni 2020 treten am 1. Januar 2023 abschliessend in Kraft.

Welches Ziel verfolgt der KVI-Gegenvorschlag?

Der Gegenvorschlag möchte Unternehmen mit der Einführung der nichtfinanziellen Berichterstattung und thematischen Sorgfaltspflichten zu verantwortungsvollem Handeln verpflichten, ohne sie bürokratisch zu überlasten. Grosse Schweizer Unternehmen werden gesetzlich verpflichtet, über die Risiken ihrer Tätigkeiten in Bezug auf Umwelt, Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption sowie über die dagegen ergriffenen Massnahmen Bericht zu erstatten. Unternehmen mit Risiken in den sensiblen Bereichen der Kinderarbeit und der sogenannten Konfliktmineralien müssen besondere und weitergehende Sorgfaltspflichten einhalten.

Ab wann gelten die neuen Bestimmungen?

Seit dem 1. Januar 2022 sind die Bestimmungen in Kraft. Das Gesetz gewährt den Unternehmen ein Jahr (2022) Zeit, um sich auf die neuen Pflichten einzustellen. Ab dem Geschäftsjahr 2023 kommen die neuen Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten zur Anwendung. Veröffentlicht werden die Dokumentationen für das Geschäftsjahr 2023 im Jahr 2024.

Für welche Unternehmen gelten die Bestimmungen des KVI-Gegenvorschlags?

Die Voraussetzungen und Ausnahmen unterscheiden sich im Hinblick auf die folgenden drei Bereiche:

Allgemeine nichtfinanzielle Berichterstattungspflicht

Die Berichterstattungspflicht gilt für Publikumsgesellschaften und grosse Finanzinstitute, wenn sie, zusammen mit den von ihnen kontrollierten in- oder ausländischen Unternehmen, in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren mind. 500 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt besetzen und mindestens eine der Grössen «Bilanzsumme von CHF 20 Mio.» oder «Umsatzerlös von CHF 40 Mio.» in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschreiten.

Ein Unternehmen in der Schweiz muss keinen separaten Bericht verfassen, wenn es von einer juristischen Person mit Sitz im Ausland kontrolliert wird und diese juristische Person einen gleichwertigen Bericht erstellt.

Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten bezüglich Mineralien und Metallen

Die Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten bezüglich Mineralien und Metallen gilt für Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen, welche die festgesetzten Einfuhr- und Bearbeitungsmengen von Mineralien und Metallen wie Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold überschreiten (wird in der Ausführungsverordnung im Anhang 1, Liste der Mineralien und Metalle, für die Einfuhr und Bearbeitungsmengen bestehen, bis zu denen Unternehmen von der Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht befreit sind, bestimmt).

Erweist die Prüfung, dass die Mineralien und Metalle nicht aus einem Konflikt- und Hochrisikogebiet stammen, so hat das Unternehmen diese Feststellung zu dokumentieren und ist von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten befreit. Ebenso sind die Einfuhr und die Bearbeitung von rezyklierten Metallen ausgenommen.

Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten bezüglich Kinderarbeit

Unternehmen haben zu prüfen, ob ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht.

Von diesen Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten sind Unternehmen befreit, die gemeinsam mit den von ihnen kontrollierten in- und ausländischen Unternehmen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren zwei der drei nachstehenden Kennzahlen unterschreiten:

  • Bilanzsumme von CHF 20 Mio.
  • Umsatzerlös von CHF 40 Mio.
  • 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt

Unternehmen, die nachweisen, dass von ihnen bezogene Dienstleistungen aus Ländern mit einem geringen Risiko von Kinderarbeit stammen, sind ebenfalls ausgenommen. Besteht aufgrund der Prüfung kein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit, so hat das Unternehmen diese Feststellung zu dokumentieren und ist von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten befreit. Ausnahmen bestehen weiterhin dann, wenn betroffene Unternehmen nachweisen, dass sie andere international anerkannte gleichwertige Standards einhalten und gemäss dieser berichten.

Bietet das Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen an, bei denen offensichtlich Kinderarbeit zum Einsatz kommt, untersteht es den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten.

Welchen Berichtsumfang verlangen die Bestimmungen?

Allgemeine nichtfinanzielle Berichterstattungspflicht

Die Berichterstattung umfasst einen Bericht auf konsolidierter Basis zu nichtfinanziellen Belangen wie CO2-Ziele, Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung der Korruption.

Inhalt des Berichtes ist eine Beschreibung des Geschäftsmodells, der verfolgten Konzepte, eine Darstellung der dazu ergriffenen Massnahmen einschliesslich Bewertung der Wirksamkeit, eine Beschreibung der wesentlichen Risiken und für die Unternehmenstätigkeit wesentlichen Leistungsindikatoren in Bezug auf die erwähnten Belange.

Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten bezüglich Mineralien und Metallen

Das Unternehmen legt ihre Lieferkettenpolitik schriftlich fest und kommuniziert sie gegenüber Lieferanten und der Öffentlichkeit. In der Dokumentation wird beschrieben, welche Instrumente zur Anwendung kommen, um mögliche schädliche Auswirkungen in der Lieferkette zu ermitteln, zu bewerten, zu beseitigen und zu verhindern. Die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette gilt, wenn Mineralien und Metalle möglicherweise aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten stammen.

Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten bezüglich Kinderarbeit

Das Unternehmen legt ihre Lieferkettenpolitik schriftlich fest und kommuniziert sie gegenüber Lieferanten und der Öffentlichkeit. In der Dokumentation wird beschrieben, welche Instrumente zur Anwendung kommen, um mögliche Fälle von Kinderarbeit in der Lieferkette zu ermitteln, zu bewerten, zu beseitigen und zu verhindern. Bei begründetem Verdacht auf Kinderarbeit hält sich das Unternehmen an seine Sorgfaltspflichten. Dem Verdacht muss nachgegangen und Massnahmen müssen ergriffen werden, zudem muss eine Meldung erfolgen. Neben den nationalen Gesetzen kommen auch die ILO-Übereinkommen (Internationale Arbeitsorganisation) Nr. 138 und Nr. 182 zur Anwendung, die Mindestarbeitsalter und Form der Arbeit regeln.

Muss die Berichterstattung durch externe Prüfer erstellt werden?

Die Einhaltung der Vorschriften zu den Konfliktmineralien ist extern zu prüfen. Im Prüfbericht wird festgehalten, ob Sachverhalte vorliegen, die aufzeigen, dass die Sorgfaltspflichten nicht eingehalten wurden (Limited Assurance). Die Prüfung der allgemeinen nichtfinanziellen Berichterstattung und die Einhaltung der Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten bezüglich Kinderarbeit sind freiwillig.

Welche Verantwortung trägt der Verwaltungsrat?

Der Verwaltungsrat genehmigt und unterzeichnet den Bericht über nichtfinanzielle Belange und erstattet jährlich Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten. Die Generalversammlung muss den Bericht über nichtfinanzielle Belange zusätzlich genehmigen. Zudem verpflichtet sich der Verwaltungsrat, die Dokumentationen elektronisch zu veröffentlichen und für mindestens 10 Jahre öffentlich zugänglich zu machen.

Welche Folgen hat ein Verstoss gegen die Bestimmungen?

Mit Busse bis zu CHF 100'000 wird bestraft, wer in den Berichten vorsätzlich falsche Angaben macht, die Berichterstattung unterlässt oder der gesetzlichen Pflicht zur Aufbewahrung und Dokumentation der Berichte nicht nachkommt. Wer fahrlässig handelt, wird mit Busse bis zu CHF 50'0000 bestraft

Sind die Schweizer Regeln mit den internationalen Entwicklungen abgestimmt?

Die Schweiz hat eine international abgestimmte Gesetzgebung, die sich primär an der heute in der EU geltenden Regulierung orientiert. Das ist einerseits die EU-Richtlinie 2014/95 betreffend der nichtfinanziellen Berichterstattung und andererseits die EU-Verordnung «zur Festlegung von Pflichten zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Unionseinführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten (sogenannte Konfliktmineralien). Im Hinblick auf Kinderarbeit geht die Schweiz einen Schritt weiter als die EU.

Wie bewertet BDO die Auswirkungen auf die Unternehmen?

Die neuen Bestimmungen orientieren sich stark an den bereits bestehenden Regelungen in der EU. Die konkrete Umsetzung der Bestimmungen lässt noch allerlei Fragen offen. Der Grossteil der Schweizer Unternehmen wird von den Bestimmungen nicht tangiert werden. Für grosse Unternehmen, die bereits über nichtfinanzielle Belange berichten oder in der EU tätig sind, ändert sich nicht allzu viel. BDO empfiehlt, sich damit auseinanderzusetzen, inwiefern das Unternehmen von den Schweizer und den europäischen Regelungen betroffen ist und über welche Inhalte künftig berichtet werden soll. Die regulatorische Pflicht kann auch als Chance begriffen werden, mehr nichtfinanzielle Informationen als Entscheidungsgrundlage zu erhalten und die Transparenz gegenüber den Stakeholdern zu erhöhen.
 

Transparenz bei Rohstoffunternehmen

Unternehmen, die von Gesetzes wegen zu einer ordentlichen Revision verpflichtet und selber oder durch ein von ihnen kontrolliertes Unternehmen im Bereich der Gewinnung von Mineralien, Erdöl, Erdgas oder des Einschlags von Holz in Primärwäldern tätig sind, müssen jährlich einen Bericht über die Zahlungen an staatliche Stellen verfassen (Art. 964d ff. OR).