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Quellensteuerpflichtige Personen konnten bisher steuermindernde Abzüge unkompliziert mittels Einreichung einer Tarifkorrektur geltend machen. Mit der Einführung der neuen Quellensteuerreform per 01.01.2021 fällt diese Möglichkeit weg. Welche Optionen bestehen? Was muss dabei beachtet und welche Fristen müssen eingehalten werden? Wir machen eine Auslegeordnung.
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Wer ist betroffen und was hat sich geändert?
Betroffen sind Arbeitnehmende, die für ihr Erwerbseinkommen in der Schweiz quellensteuerpflichtig sind. Dies sind insbesondere Arbeitnehmende ohne Niederlassungsbewilligung (bzw. ohne Schweizer Bürgerrecht /C-Bewilligung) oder ohne steuerliche Ansässigkeit in der Schweiz. Die Quellensteuer wird vom Arbeitgeber als Schuldner der steuerbaren Leistung direkt vom Lohn abgezogen und stellt grundsätzlich für den Arbeitnehmenden die finale Steuerbelastung dar.
Hatten quellensteuerpflichtige Arbeitnehmende zusätzliche Auslagen (z.B. Einzahlung in die Säule 3a, BVG-Einkauf, Alimentenzahlungen, doppelte Wohnkosten etc.), konnten sie bislang die diesbezüglichen Steuerabzüge mittels Einreichung einer Tarifkorrektur bis 31. März des Folgejahres geltend machen. Diese Möglichkeit besteht nun seit Einführung der neuen Quellensteuerreform am 01.01.2021 nicht mehr. Das Instrument der Tarifkorrektur wurde mit dem System der freiwilligen nachträglichen ordentlichen Veranlagung («NOV») ersetzt. Der Vollständigkeitshalber sei erwähnt, dass je nach kantonaler Praxis die Tarifkorrektur auch unter dem neuen Regime noch für wenige Fälle wie beispielsweise Tariffehler, Ausscheidung Arbeitstage oder Lohnfehler Anwendung finden kann (nicht aber für steuermindernde Abzüge).
Künftig müssen deshalb quellensteuerpflichtige Arbeitnehmende ihre zusätzlichen steuermindernden Abzüge zwingend im NOV-Verfahren geltend machen und nicht mehr via Tarifkorrektur. Dies wird erstmals für die Steuerperiode 2021 relevant, d.h. bis 31. März 2022 muss entsprechend reagiert werden. Je nachdem, ob die Arbeitnehmenden in der Schweiz oder im Ausland steuerlich ansässig sind, gelten unterschiedliche Voraussetzungen und es ergeben sich ungleiche Folgen für das NOV-Verfahren.
Das NOV-Verfahren im Allgemeinen
Auch unter dem neuen Regime muss der Antrag bis 31. März des Folgejahres eingereicht werden. Dabei handelt es sich nicht um eine behördliche, sondern um eine gesetzliche Frist, welche nicht erstreckt werden kann.
Während die Beantragung der bisherigen Tarifkorrektur das Ausfüllen eines verhältnismässig simplen und überschaubaren Antragsformulars zum Gegenstand hatte, muss nun unter dem neuen Regime im NOV-Verfahren eine ordentliche Steuererklärung mit entsprechender Deklaration des weltweiten Einkommens und weltweiten Vermögens beider Ehegatten ausgefüllt werden. Das NOV-Verfahren ist komplexer und zeitlich aufwendiger als die bisherige Tarifkorrektur. Die laufenden Lohnabzüge der Quellensteuer vom Arbeitgeber bleiben dabei jedoch unverändert bestehen (kein Fall von Entlassung aus der Quellensteuerpflicht). Dem Quellensteuer-Lohnabzug kommt im NOV-Verfahren dabei kein finaler Abgeltungscharakter, sondern lediglich noch eine Sicherungsfunktion zu. Die Steuerbehörde rechnet anschliessend die Quellensteuer an die ermittelte Steuerschuld gemäss ordentlicher Steuererklärung zinslos an.
Je nachdem kann es aber natürlich sein, dass die Arbeitnehmenden ohne Wahlmöglichkeit von Amtes wegen in das NOV-Verfahren überführt werden, beispielsweise betrifft dies in der Schweiz ansässige Arbeitnehmende mit einem Bruttojahreslohn von mindestens 120'000 Franken oder wenn sonstiges, nicht quellensteuerpflichtiges Einkommen oder Vermögen vorliegt (z.B. Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit, Alimenteneinkünfte etc.). Die Fälle des obligatorischen NOV-Verfahrens werden vorliegend nicht behandelt.
Bezüglich Ausführungen zur neuen Quellensteuerreform wird auf die vergangenen Newsletters Neuerungen Quellensteuer ab 1. Januar 2021 - Grundlagen & Neuerungen Quellensteuer ab 1. Januar 2021 - Internationales verwiesen.
Voraussetzungen und Folgen der freiwilligen NOV
Ansässigkeit in der Schweiz
Für Personen mit Ansässigkeit in der Schweiz ist der Antrag auf eine freiwillige NOV an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft. Wie vorstehend ausgeführt, muss ein schriftlicher Antrag bis zum 31. März des Folgejahres - d.h. erstmals bis 31. März 2022 - eingereicht werden. Der Antrag muss von beiden Ehegatten unterzeichnet werden. Weist der Antrag einen Formfehler auf, wird gemäss Kreisschreiben Nr. 45 der Eidg. Steuerverwaltung eine Nachfrist zur Nachbesserung angesetzt. Nach Einreichung eines frist- und formgerechten Antrages kann dieser nicht mehr zurückgezogen werden und die Arbeitnehmenden bleiben an das NOV gebunden. Es wird eine Steuererklärung für das entsprechende Steuerjahr zugestellt.
Mit diesem neuen Instrument haben neu quellenbesteuerte Arbeitnehmende, welche die erforderliche Jahresbruttolohnsumme von 120'000 Franken nicht erreichen, die Möglichkeit, ins NOV-Verfahren zu gelangen. Von zentraler Bedeutung ist, dass für in der Schweiz ansässige Arbeitnehmende der Antrag auf ein NOV bedeutet, dass auch in den Folgejahren - und zwar bis zum Ende der Quellensteuerpflicht - immer eine NOV durchgeführt wird. Es ist demnach für in der Schweiz ansässige Arbeitnehmende nicht möglich, ein NOV nur für eine Steuerperiode zu beantragen und für die Folgeperioden wieder auf die Quellensteuer als finale Steuerbelastung umzustellen. Dies kann sich je nach Konstellation auch nachteilig auswirken, wie nachstehende Beispiele zeigen.
Des Weiteren bezieht sich ein Antrag immer auf beide Ehegatten. Auch bei späterer Trennung oder Scheidung werden beide Eheleute bis zum Ende ihrer Quellensteuerpflicht ordentlich veranlagt.
Beispiel 1 - einmaliger BVG-Einkauf:Sachverhalt:
Steuerbeträge 2021:
Die Person beantragt aufgrund der Steuerersparnis das Verfahren der freiwilligen NOV für das Jahr 2021. Im Folgejahr 2022 tätigt die Person mit unveränderten Verhältnissen gemäss vorstehendem Sachverhalt keinen BVG-Einkauf mehr (keine zusätzlichen, ausserordentlichen Auslagen/steuermindernde Abzüge):
Steuerbeträge 2022 und Folgejahre:
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Aufgrund des Grundsatzes «einmal NOV - immer NOV» ist auch für die Folgeperioden zwingend eine NOV vorzunehmen und die finale Steuerschuld aufgrund des ordentlichen Veranlagungsprozesses zu ermitteln. Im obigen Beispiel ist der Steuervorteil aus dem BVG-Einkauf im Jahre 2021 bei unveränderten Verhältnissen bereits nach gut zwei Jahren konsumiert.
Beispiel 2 - Umzug:Sachverhalt:
Steuerbeträge Schwyz 2021:
Die Person beantragt aufgrund der Steuerersparnis das Verfahren der freiwilligen NOV im Kanton Schwyz. Im Folgejahr 2022 zieht die Person mit unveränderten Verhältnissen gemäss vorstehendem Sachverhalt nach Kriens (LU):
Steuerbeträge Luzern 2022 und Folgejahre:
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Da die Quellensteuertarife grundsätzlich auf kantonalen Durchschnittssätzen basieren, bei den ordentlichen Einkommenssteuersätzen im NOV jedoch auch die kommunalen Steuersätze Einfluss finden, können sich wesentliche Unterschiede in der Steuerbelastung ergeben, je nachdem, in welcher Gemeinde sich der Wohnsitz befindet.
Ansässigkeit im Ausland
Die Bestimmung der steuerlichen Ansässigkeit ist - auch unter Einbezug der entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen - nicht ganz trivial. Fällt die Ansässigkeit ins Ausland, können Arbeitnehmende nur ein NOV beantragen, wenn diese die Voraussetzungen der sog. «Quasi-Ansässigkeit» erfüllen. Quasi-Ansässigkeit bedeutet, dass im entsprechenden Steuerjahr mindestens 90 Prozent der weltweiten Bruttoeinkünfte beider Ehepartner in der Schweiz der Steuer unterliegen.
Auch für Arbeitnehmende mit steuerlicher Ansässigkeit im Ausland muss der Antrag bis zum 31. März des Folgejahres - d.h. erstmals bis 31. März 2022 - eingereicht werden. Bei Ansässigkeit im Ausland gilt jedoch der Grundsatz «einmal NOV - immer NOV» nicht, sondern es muss und kann jedes Jahr ein neuer Antrag gestellt werden. Der Antrag gilt somit immer nur für eine Steuerperiode.
Beispiel - Quasi-Ansässigkeit:Sachverhalt:
Vorliegend werden nur 81 Prozent der weltweiten Bruttoeinkünfte in der Schweiz erzielt, womit die Voraussetzungen für die Quasi-Ansässigkeit nicht erfüllt sind. Dies bedeutet, dass grundsätzlich keine Möglichkeit mehr besteht, via NOV zusätzliche steuermindernde Abzüge geltend zu machen. Vorbehalten bleibt die Prüfung, ob die Situation mit derjenigen in der Schweiz wohnhaften Person anderweitig vergleichbar ist (Art. 99a Abs. 1 bst. b DBG), ein ordentliches Veranlagungsverfahren zwecks Berücksichtigung von in Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Abzüge nötig ist (Art. 99a Abs. 1 bst. c DBG) und/oder stossende Verhältnisse vorliegen (Art. 99b DBG). Ersteres dürfte womöglich insbesondere in denjenigen Fällen vorliegen, wo aufgrund niedriger Einkünfte im Wohnsitzstaat keine Steuerpflicht besteht (wenn beispielsweise dem Ausland bei der Berechnung der Quasi-Ansässigkeit nur ein Eigenmietwert zugewiesen wird). Das Beispiel zeigt zudem auf, dass die Berechnung nach den steuerlichen Grundsätzen aus Schweizer Sicht erfolgt (Zuweisung Wertschriftenerträge ins Ausland, Berücksichtigung Eigenmietwert, private Kapitalgewinne steuerfrei). |
Schlussfolgerung
Die Abschaffung der Tarifkorrektur unter dem neuen Quellensteuerregime hat für quellenbesteuerte Arbeitnehmende hinsichtlich Geltendmachung von steuermindernden Abzügen weitreichende Konsequenzen. Die Beurteilung, ob und wie künftig diese Abzüge geltend gemacht werden können, muss wohlüberlegt und gut analysiert sein. Bis zum 31. März 2022 muss für die Steuerperiode 2021 entsprechend reagiert werden. Die Unterscheidung von quellensteuerpflichten Arbeitnehmenden mit Ansässigkeit in der Schweiz und quellensteuerpflichten Arbeitnehmenden mit Ansässigkeit im Ausland ist in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung, denn es gelten nicht für beide Fälle die gleichen Voraussetzungen bzw. ergeben sich nicht die gleichen steuerlichen Folgen.
Für quellenbesteuerte Arbeitnehmende mit Ansässigkeit in der Schweiz, welche die erforderliche Jahresbruttolohnsumme von 120'000 Franken nicht erreichen und bisher die Quellensteuer die finale Steuerbelastung darstellte, besteht neu die Möglichkeit, die Steuerschuld im NOV-Verfahren festzusetzen, was je nach Konstellation vorteilhaft sein kann. Jedoch gilt hier der Grundsatz «einmal NOV - immer NOV», was sich für Folgeperioden - beispielsweise aufgrund Wegfalls der Abzüge oder Wohnortswechsels - aber auch negativ auswirken kann.
Bei Personen mit Ansässigkeit im Ausland ist ein NOV-Verfahren grundsätzlich nur möglich, wenn die Voraussetzungen für eine Quasi-Ansässigkeit erfüllt sind. Quasi-Ansässigkeit bedeutet, dass im entsprechenden Steuerjahr mindestens 90 Prozent der weltweiten Bruttoeinkünfte beider Ehepartner in der Schweiz der Steuer unterliegen. Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, besteht grundsätzlich keine Möglichkeit mehr, steuermindernde Abzüge geltend zu machen. Der Antrag auf NOV gilt für Nicht-Ansässige jeweils nur für eine Steuerperiode und muss jedes Jahr neu gestellt werden.